Der Lack ist ab

In unmittelbarer Nähe zu den berühmtesten Sehenswürdigkeiten der Stadt gelegen, beeindruckt die »Grande Dame der Dresdner Hotellerie« allein schon durch ihr imposantes Äußeres. Unser Hoteltester wollte wissen, ob sich 21 Jahre nach dem Wiederaufbau des barocken Palais der erste Eindruck auch innen bestätigt.

MO. 09/05, 19:37 und DI. 10/05, 09:07

Telefonische Buchung

Frau F. hat eine junge, nette Stimme und eine sehr liebenswürdige Art. Da die Reservierung am Abend nicht mehr besetzt ist, möchte mir die Rezeptionistin gern weiterhelfen. Doch auch sie muss erst nachfragen, was der Begriff »street« bedeutet, der, will man online buchen, bei der deutschen(!) Beschreibung der günstigsten Zimmerkategorie auftaucht. Man kann es sich zwar denken, aber ich will es wissen. Ja, die »Regenten-Standard-Zimmer« gehen zur Straße. Es gibt aber auch welche zum ruhigeren Innenhof. Und ich möchte ruhig schlafen. Frau F. bietet mir einen Rückruf der Reservierungsabteilung am nächsten Morgen an, die Reservierung selbst annehmen kann sie nicht. Das macht am Folgetag Herr R., ein eloquenter Mitarbeiter, der mich gut geschult durch den Reservierungsvorgang leitet. Er macht mich auch darauf aufmerksam, dass die Frühbucherrate nicht stornierbar ist und komplett vorab per Kreditkarte bezahlt werden muss. Er fragt nach weiteren Wünschen, bietet eine Tischreservierung an und bleibt dabei immer verbindlich und locker. Nur: Bei der Vorstellung der Restaurants erwähnt Herr R. nicht, dass das Fine-Dining-Restaurant an den Tagen meines Aufenthaltes geschlossen ist. Das erfahre ich erst, als ich zu einem späteren Zeitpunkt einen Tisch reservieren will. Die Zimmerrate von 127,20 Euro pro Nacht scheint unschlagbar. Doch wenige Tage später kostet ein Zimmer nur noch knapp über 100 Euro.
Wertung: gut

Upgrade

Vier Tage vor Anreise wird mir per E-Mail ein »eStandby Upgrade« angeboten. Ich greife zu: Für nur 21 Euro pro Nacht melde ich ein Upgrade in die nächsthöhere Zimmerkategorie an, erfahre allerdings erst bei Anreise, ob das geklappt hat. Ein geschickter Schachzug des Hotels, bei noch freien Kapazitäten dem Gast das Bonbon eines Upgrades anzubieten. Als Schnäppchen verpackt, schmeckt es dem Gast fast so gut wie ein kostenfreies Upgrade, für das Hotel fallen aber doch noch ein paar Euro ab. Weniger clever ist es jedoch, am Folgetag eine E-Mail nachzuschieben, in der mir als »Mai Special« das sichere Upgrade für nur 20 Euro pro Nacht angeboten wird. Da fühle ich mich ein bisschen veräppelt.

Internet-Auftritt

Die Homepage passt zum Haus: noble Größe, eleganter Auftritt, schöne Fotos, umfassende Informationen. Und Texte in »Grandhotelsprech«: »Charmante Gradlinigkeit und bodenständige Eleganz vereinen sich mit zeitgemäßer Tradition in der Sächsischen Kartoffelsuppe zur kulinarischen Signatur des Taschenbergpalais.« Da stellen die folgenden, zum Rezept veröffentlichten Zeilen ein wohltuendes etymologisches Gegengewicht dar: »Ne Schbeisnfolche ohne Subbe is dem Gänner wärglich schnubbe.«
Wertung: sehr gut

Lage / Anreise

Im 18. Jahrhundert vom sächsischen Kurfürsten August dem Starken für seine Geliebte Gräfin von Cosel erbaut, wurde das barocke Palais im Bombenhagel 1945 bis auf einige Außenmauern komplett zerstört. 1995 so originalgetreu wie möglich wiederaufgebaut, stellt das Hotelgebäude heute mit der Semperoper, der Hofkirche, dem Zwinger und dem ebenfalls wiederaufgebauten Residenzschloss das imposante historische Zentrum Dresdens dar – hier zu logieren, das hat schon was. Während mir der Fahrer noch eine Quittung ausstellt, hat der Portier den Griff der Taxitür bereits in der Hand. Punktgenau öffnet mir der mit Cut und Zylinder beeindruckend gewandete Mitarbeiter den Schlag und heißt mich willkommen. »Wen darf ich dem Empfang melden?« Während der Portier sich meines Gepäckes bemächtigt und dieses durch eine Seitentür in die Lobby bringt, schreite ich auf rotem Teppich durch den Innenhof und nehme die behäbige Drehtür. Drinnen: hohe Decken, Steinboden, ein opulentes Blumenarrangement. Willkommen im Grand Hotel.
Wertung: sehr gut

SO. 22/05, 16:05

Check-in

Der Portier hat seinen Vorsprung genutzt und mich angemeldet. Am Empfang steht Frau F. Die Nette vom Telefon ist auch in Wirklichkeit die Liebenswürdigkeit in Person. In Nadelstreifen und mit rotem Halstüchlein begrüßt sie mich namentlich und erkundigt sich nach meiner Anreise. Dann überbringt sie mir die frohe Botschaft, dass es mit meinem Upgrade geklappt hat und ich nun ein schönes, ruhiges Zimmer im zweiten Stock habe. Im Nu bin ich eingecheckt. »Möchten Sie vielleicht Mitglied werden?«, fragt Frau F. mit treuherzigem Augenaufschlag. Das koste nichts, brächte mir aber eine Flasche Wasser auf dem Zimmer, freies Highspeed-WLAN und die ersten Bonuspunkte im System. Als ich dankend ablehnte, meint Frau F.: »Jetzt bin ich aber traurig« – und lächelt strahlend. Ich hingegen finde es traurig, dass ich trotz geleisteter Vorkasse und vorliegender Kreditkartennummer die Karte noch einmal zücken und mir »zur Sicherheit« 60 Euro für eventuelle Nebenkosten abbuchen lassen muss. Wollte ich die spätere Zeche prellen, wäre sie damit längst nicht gedeckt. Und irgendwie schwingt dabei ein Misstrauen gegenüber dem Gast mit. Da gerade kein Page zur Verfügung steht, bringt mich einer der Concierges aufs Zimmer.
Wertung: sehr gut

Zimmer 217

Das Upgrade hat mir ein Zimmer der »Palais-Superior-Kategorie« beschert mit »klassischer Ausstattung« (Hotel-Website). Das ist auch der richtige Ausdruck für das 4,80 Meter hohe und ca. 30 Quadratmeter große Hotelzimmer. »Klassisch« ist gleich »zeitlos« ist gleich »könnte gelegentlich eine Auffrischung gebrauchen«. Grau-beige gestreifte Vorhänge und Teppichböden, cremefarben gewischte Wände mit Stuck, Möbel in lackiertem Ulmenholz, als einziger Farbtupfer die blaurote Bettdekoration – original wie vor 21 Jahren. Der bequeme graue Sessel hat Flecken auf der Rückenlehne, die ein Kissen notdürftig verhüllt. Die Gelenke der stoffbeschirmten Messingwandlampen sind ausgeleiert, die Schirme hängen schief. Ein schwarzlackierter Schrank beherbergt die Minibar und den Flatscreen, der – damit er in den Schrank passt – nur eine Diagonale von 66 Zentimetern aufweist. Wer den in der Raumecke platzierten Schreibtisch nutzen möchte, sollte besser schlank sein – er muss sich nämlich zwischen Tischplatte und Wand zu dem dahinterstehenden Schreibtischstuhl durchzwängen. Sitzt er dann, hat er es nicht sonderlich komfortabel: Der lederbezogene Holzstuhl mit gerundeter Lehne sieht bequemer aus, als er ist. Das Schreibtischmöbel hat zwei Schubladen und verschiedene Anschlüsse, darunter zwei freie Steckdosen. WLAN ist nur in der Basisvariante kostenfrei. Wer Highspeed-WLAN benötigt, zahlt 6 Euro pro Stunde, 19 Euro pro Tag und 29 Euro für 48 Stunden. Auch das ist nicht mehr zeitgemäß. Die prall gefüllte Gästemappe beinhaltet unter anderem ein Room Comfort Menü, welches alternative Kissen sowie Zusatzartikel für Kind und Hund offeriert und auf das Spa-Angebot aufmerksam macht. Wer im eigenen Zimmer wellnessen möchte, kann wie Gräfin Cosel baden – mit Rosenblütenblättern und Champagner. Die Minibar ist umfangreich, aber bis auf eine Spezialedition deutschen Wodkas wenig originell bestückt. Als regionale Produkte sind Radeberger Bier und die Sekt-Hausmarke vertreten, die Weine stammen jedoch aus Baden-Württemberg (Trollinger) und der Pfalz (Weißburgunder). Ein echtes Manko ist die nicht vorhandene Espressomaschine / Kaffee-/Teebar. Die Schränke im Eingangsbereich zu beiden Seiten der Badezimmertür sind innen beleuchtet, aber mit erstaunlich wenig Kleiderbügeln ausgestattet (vier normale und sechs Multifunktionsbügel). Nebe
n einem Safe in Laptopgröße beherbergt der Schrank die üblichen Utensilien und zwei Paar Badeschlappen in unterschiedlichen Größen. Die Bademäntel dazu liegen im Bad. Die Bettwäsche fühlt sich fein an, die Bettwaren sind sauber. Das Zimmer ist im Großen und Ganzen gut gereinigt, lediglich von den hoch hängenden Bildern rieselt beim Fingertest der Staub. Während der eine Telefonhörer nach Duftspray riecht, riecht der zweite nach Menschenohr. Außerdem ist der feuerfeste Papierkorb innen klebrig.
Wertung: befriedigend

Bad

 

Links die Badewanne, in der Mitte der Waschtisch, rechts Dusche und Toilette. Auch hier Ulmenholz, kombiniert mit grauem Granit und weißen Fliesen. Das vermittelt einen adretten, aber nicht unbedingt luxuriösen Eindruck. Fußbodenheizung? Separates WC? Fehlanzeige. Positiv fallen die großen Badetücher mit Logo ins Auge, der Handtuchwärmer, die gute Beleuchtung über und zu beiden Seiten des Spiegels und die Kempinski-eigene Gastkosmetika-Linie mit Aloe Vera und Bergamotte-Duft. Shampoo, Duschgel und Bodylotion werden in Tuben zu 40 ml angeboten, außerdem gibt es ein Seifenstück in komfortabler Größe, Nagelfeile, Vanity Set und Duschhaube. Keinen Spaß macht das Duschen: Es fehlt eine Halterungsstange für die Handbrause und die Wandbrause ist in einer Höhe fixiert, in der größere Menschen nicht drunter passen. Zur Wahl stehen nur eine Massage- und eine ultrafeine Sprühfunktion – eine höhenverstellbare Regendusche mit genug Druck wäre hier eine echte Bereicherung. Der seitlich über dem Waschtisch angebrachte Kosmetikspiegel ist ebenfalls schlecht zu nutzen. Auch er hängt zu niedrig und sein Gelenk taugt nicht dazu, den Spiegel sowohl nach oben als auch nach vorne zum Gast hin zu drehen. Extrem hoch hingegen sind die beiden Wandhaken angebracht, an denen Kunststoffbügel für die Bademäntel hängen. Letztere sind kunstvoll gefaltet und beide XXL. Fön und Personenwaage wirken veraltet, der Hockersitz hat eine Macke. Viele kleine Abnutzungserscheinungen kennzeichnen das Bad: die verschrammte, hölzerne Türschwelle, zwei gerissene Fliesen, einige Ausbesserungen im Fliesenboden, eine gelblich verfärbte, am unteren Rand eingerissene Dichtungsleiste an der Dusche und ein gänzlich abgeschrappter Brausekopf in der Badewanne. Dank des Hockers erreiche ich die Oberkante des Spiegelrahmens, was für die Reinigungskräfte ebenfalls gelten dürfte. Doch – ohje – dort oben liegt fingerdick der Staub. Und auf dem Boden finde ich drei schwarze Haare.
Wertung: mangelhaft

Concierge 1

Im Vorfeld meiner Dresdenreise hat ein Freund unter Angabe seiner Kreditkartennummer eine »Geburtstagsüberraschung« für mich bestellt. Eine halbe Stunde nach Bezug meines Zimmers überreicht mir eine reizende junge Frau in Pagenuniform eine langstielige rote Rose und ein Glas Champagner. Auf meine »überraschte« Frage, wem ich diese Goodies denn zu verdanken habe, rettet sich die Pagin in ein charmantes »Jemandem, der es gut mit Ihnen meint!« Eine Karte wurde nicht bestellt, insofern ist die Anonymität der Gabe in Ordnung. Fünf-Sterne-Plus wäre es jedoch gewesen, hätte das Concierge-Team meinen »Geburtstag« mit einem eigenen Glückwunsch gewürdigt.
Wertung: sehr gut

17:10

Afternoon Tea

»Vollendeten Teegenuss in eindrucksvollem Ambiente« verspricht der klassische Afternoon-Tea im Taschenbergpalais. Das Ambiente stimmt, sowohl im »Café Vestibül«, zu Füßen des berühmten Barock-Treppenhauses, als auch im Innenhof des Hotels. Hier kann man es sich bei schönem Wetter unter großen Sonnenschirmen auf Lounge-Möbeln bequem machen, für Sonnenanbeter stehen sogar ein paar Liegestühle bereit. Ich nehme auf einem Sofa Platz – und traue kaum meinen Ohren. Nein, der kraftvolle Sopran kommt nicht aus der hauseigenen Beschallungsanlage; vielmehr brilliert Anna Netrebko in der nahen Semperoper in einer Nachmittagsvorstellung, die live auf den Opernplatz übertragen wird. Das nenne ich eine passende Untermalung meiner Teezeremonie. Zeremonie ist allerdings nicht das richtige Wort. Der junge Herr S. scheint von meiner Bestellung »not amused« zu sein. Mit fast gequältem Gesichtsausdruck macht er mich darauf aufmerksam, dass es schon 40 Minuten dauern könne mit dem Speisenservice. Ich bestelle trotzdem. Vorab kommt ein Tablett mit ziselierter Metallkanne, Kandis und Earl Grey samt Teatimer. Die gewünschte Milch hat Herr S. vergessen, sodass er noch einmal laufen muss. Gut ist: Ich kann kostenlos Tee nachordern und die Leckereien brauchen doch »nur« 25 Minuten. Auf einer Etagere und einer kleinen Schale bietet sich mir ein prachtvolles Bild. Doch der Geschmackstest hält dem schönen Schein nicht stand. Am besten schmecken noch die vorschriftsmäßig dünnen und dünn belegten Sandwiches mit Gurke, Roastbeef und Lachs. Die Scones sind jedoch zu trocken, statt der lockerrahmigen, zum Hineinknien leckeren Clotted Cream gibt es, wie enttäuschend, eine feste Crème double. Und zwei der süßen Küchlein sind einfach nur – süß. 34 Euro kostet der Afternoon Tea, 47 Euro mit einem Glas Champagner.
Wertung: befriedigend

Turndownservice 1

Als ich von meiner Tea-Time zurückkomme, war der Turndownservice schon da und hat ganze Arbeit geleistet. Allerdings sind die Vorhänge nicht zugezogen und das benutzte Champagnerglas steht auch noch da.
Wertung: gut

20:55

Roomservice Abendessen

Das Haus ist gut belegt, das Bistro ausgebucht und auch die Terrasse rammelvoll. Das Fine-Dining-Restaurant ist geschlossen beziehungsweise mit einer geschlossenen Veranstaltung beschäftigt. Da ist es kein Wunder, dass der freundliche Herr R. seine Ansage, meine Roomservice-Bestellung werde in etwa 20 Minuten serviert, nicht einhalten kann. Etwa zehn Minuten länger dauert es, bis der Servierwagen ins Zimmer geschoben wird. Aus der umfangreichen Karte habe ich mir einen Rucola-Salat mit gratiniertem Ziegenkäse, Kirschtomaten, Sonnenblumenkernen und Balsamico-Vinaigrette (18 Euro) ausgesucht, aus den sächsischen Spezialitäten – nein, nicht die Kartoffelsuppe, obwohl auch sie angeboten wird, sondern die berühmten Quarkkeulchen, schon allein wegen des auf sächsisch so herrlich klingenden Namens. Dazu ein frisch gezapftes Radeberger Pils. Herr R. entschuldigt sich für die Verspätung, schiebt den Wagen vor den Sessel, klappt eine Seite hoch und richtet die Speisen auf der Tischplatte neu aus. Dann lässt er sich den Beleg abzeichnen und bittet mich anzurufen, wenn er den Wagen wieder abholen dürfe. Mit einem freundlichen »Guten Appetit« verabschiedet sich der nette junge Mann. Ich inspiziere meine Mahlzeit. Rein optisch ist sie in Ordnung, nur zerfließt das Vanilleeis an den warmen Quarkpuffern gerade like ice in the sunshine. Das kommt eben davon, wenn der Roomservice sich scheut, zweimal zu laufen und den Nachtisch auf Abruf später zu bringen. Also verspeise ich zuerst die »Gwarggeulschen« mit Apfelmus und Vanilleeis, weil sie einfach zu lecker sind, um sie kalt werden zu lassen. Das Bier hat übrigens auf dem Weg zum Zimmer seine Schaumkrone kaum eingebüßt, sehr erfreulich. Der Servierwagen ist sehr ordentlich eingedeckt – nicht nur mit der üblichen weißen Deckserviette, sondern auch noch mit einer fast bodenlangen grauen Tischdecke darunter. Es gibt ein Körbchen mit frischem Baguette, Butter, Olivenöl und Menagen. Als Schmuck dient eine grün gefärbte und haltbar gemachte Rose in einem Deko-Glas. Nun ja, das ist Geschmackssache. Nachdem ich mir ein dickes Kissen unter den Po gestopft habe, kann ich sitzhöhentechnisch halbwegs vernünftig essen und probiere meinen Salat. Heißt gratiniert nicht überbacken und ist überbacken nicht gleichzusetzen mit heiß? Überraschung! Der Ziegenkäse ist eisschrankkalt und fast geschmacklos. Nur drei Kirschtomaten haben
sich in das Grünzeug verirrt, das außer Rucola auch noch Friseesalat beinhaltet. Und das Dressing? Würde ich gerne beurteilen, wenn ich es schmecken könnte. Also telefoniere ich wieder mit Herrn R., der mir fix eine Sauciere mit Dressing bringt. Es schmeckt leidlich gut. 35,30 Euro hat die kleine Mahlzeit gekostet. Nachdem die Roomservice-Nummer besetzt ist, schiebe ich den Wagen auf den Flur. Wenig später ist er verschwunden.
Wertung: noch befriedigend

22:40

»Karl-May-Bar« 1

Ein großes Display, quer über die Kleine Brüdergasse gespannt, soll auch externe Gäste auf die Bar aufmerksam machen, für die einer der fantasievollsten Sachsen Pate stand. Als fantasievoll dürfen auch das Design der mehrfach ausgezeichneten Bar und die ehrgeizigen Mitglieder des Barteams gelten, deren Kreationen bei Cocktailwettbewerben ständig neue Preise einheimsen. Kurz vor 23 Uhr ist die Bar leer und die Terrasse voll – eine so milde Nacht lockt Operngänger, Hotelgäste und Dresdner Beautiful People in den Innenhof des Taschenbergpalais. Chillige Loungemusik untermalt die Szenerie, Wandstrahler und Teelichter in zerknitterten Papiertüten erhellen sie sanft. Es herrscht eine sehr angenehme Atmosphäre – wenn nur diese unbequemen Stühle nicht wären! Die Loungesofas sind leider alle besetzt. Kaum habe ich Platz genommen, bringt mir ein freundlicher Mensch eine Karte und ein Schälchen mit Rauchmandeln und Wasabinüssen. Mir ist nach einem Gin Tonic zumute; bei beidem darf ich aus mehreren Optionen wählen. Fast 15 Minuten dauert es allerdings, bis mein Getränk serviert wird – fast wäre ich wieder gegangen. Im hohen Tumbler schwimmen Eiswürfel und Gurkenscheiben im Hendrick’s Gin, der Barmitarbeiter gießt Thomas Henry Tonic aus einer kleinen Flasche auf. Endlich kann ich meinen Drink genießen und den Tag lauschig ausklingen lassen.
Wertung: gut

MO. 23/05, 06:25

Morgendliche Ruhestörung

Bei der »malerischen Seitenstraße«, auf die mein Zimmer laut Internet hinausgeht, handelt es sich um die Kleine Brüdergasse. Zum Zeitpunkt meines Besuches wird das gegenüberliegende Gebäude gerade umgebaut. Ein Kran und Schuttcontainer sowie mit Folie verhängte Fenster deuten bei meiner Sonntagsanreise schon darauf hin. Akustisch bekomme ich die Bauarbeiten am Montagmorgen zu spüren, als um 6:25 Uhr ein Kleinbus unter lautstarkem Türenknallen sieben Arbeiter in Blaumännern entlässt. Offenbar wird die Baustelle erst um sieben Uhr geöffnet, da die Männer sich die Zeit bis dahin mit noch lautstärkerer Unterhaltung vertreiben. Das liegt zwar nicht in der Verantwortung des Hotels, doch müsste man über die Bauarbeiten informiert sein und wissen, dass man während der Umbauzeit keine ruhebedürftigen Gäste in Zimmern zur Kleinen Brüdergasse unterbringt.

09:20

Frühstücksbuffet

Der Junge muss Berliner sein. Nicht nur wegen der unverkennbaren Sprachfärbung, sondern auch wegen der typischen trockenen Chuzpe, mit der er meine Frage nach einer Brotsorte beantwortet: »Det kann ich Ihnen jrad nich saachen, sieht aus wie irjendwat mit Körner.« Wohlgemerkt, es handelt sich um ein Vollkornbrot. Die sehr gute Brotauswahl am Frühstücksbuffet ist leider im Gegensatz zum ebenfalls umfangreichen Brötchensortiment nicht beschriftet. Grundsätzlich gibt man sich mit der Beschilderung Mühe, nur häufig sind die auf einer Ablage über den Speisen deponierten Schildchen diesen nicht gut zuzuordnen. Kühlstationen, ein gekühltes rundes Buffet, Extratische, der Buffettresen – jede verfügbare Fläche im Vorraum des Restaurants Intermezzo ist für Speisen- und Getränkeofferten in Beschlag genommen, was ein unruhiges, unübersichtliches Bild ergibt. Die Auswahl ist guter Vier-Sterne-Superior-Standard, bei Fünf-Sterne-Plus für 31 Euro erwarte ich mehr, sowohl von der Auswahl her als auch die Präsentation betreffend. So ist zum Beispiel die hochwertigste Wurstware ein Schwarzwälder Schinken. Die Platten sind nicht ausgarniert und die Buffets zu späterer Frühstückstunde nicht mehr in einwandfreiem Zustand – ich sage nur: Marmeladenstation. Eine hübsche Idee ist der »Gruß aus Berchtesgaden«, der sich auf das Kempinski-Schwesterhotel bezieht und Weißwürste, Leberkäse, Brezen und Obatzda beinhaltet. Leider liegen Würste und Leberkäse wohl schon ziemlich lange im Chafing Dish, denn die Würste sind braun angelaufen und der Leberkäse wellt sich an den Ecken nach oben. Die Frühstückskarte, die ich auf meinem Tisch im Innenhof finde, offeriert zusätzliche Eierspeisen, ein Asia-Frühstück mit Dim Sum, Hühnersuppe und Frühlingsrolle sowie frisch gepressten Orangensaft. Weitere frische Saftkreationen kosten 4 Euro Aufpreis. Die Dame, die am Eingang des Restaurants meine Zimmernummer (nicht meinen Namen) abgefragt hat, hat mich zum Tisch begleitet und mir dabei ein kleines Glas Saft serviert – Erdbeer-Kirsch-Saft, nicht mein Fall und auch nicht der vieler anderer Gäste, die diese sicher nett gemeinte, aber ungewollte Geste damit beantworten, dass sie ihr Glas unberührt stehen lassen. Schade drum. Ich ordere lieber einen frischen Orangensaft und einen Milchkaffee, später trinke ich noch ein Glas Sekt. Am Buffet gibt es zudem neben den üblichen Säften Wasser, Buttermilch und Fruchtbuttermilch. Laktose- und glutenfreie Produkte kann ich nirgends entdecken – auch keinen Hinweis darauf. Mein Holztisch ist rustikal mit Tischsets eingedeckt und mit einer der hässlichsten Topfpflanzen dekoriert, die ich je gesehen habe. Dieses »Modell« steht in schlichten Tontöpfen auf allen Tischen im Innenhof und macht der Floristin des Hauses keine Ehre. Man scheint jedoch generell wenig Wert auf das Tischsetting zu legen, denn die gläsernen Pfeffer- und Salzstreuer sind schmuddelig, das Porzellan von Zuckerdose wie Milchkännchen angeschlagen. Ich probiere unter anderem einen Krabbensalat (fein), das Birchermüsli (mittelmäßig), den Obatzdn (heftig) und die originellen Aufstriche der Goethe Schokoladenmanufaktur. Das bestellte Spiegelei braucht lange, ist dann aber perfekt gebraten und wie bestellt mit Schnittlauch bestreut. Der Service agiert aufmerksam und umsichtig. Als ich mir zum Ende meiner Mahlzeit noch Obstsalat (Convenience) vom Buffet hole, springt einer der nadelgestreiften Servicekräfte heran und sagt lächelnd: »Ich glaube, ich hole Ihnen mal noch ein Besteck.«
Wertung: befriedigend

Housekeeping – Remake

Fast immer fällt die Bleiberreinigung im Hotel husch-husch aus, da meistens die Zeit drängt. Hier im Taschenbergpalais hätte ich beinahe die volle Punktzahl für das ordentlich gereinigte und aufgeräumte Zimmer vergeben. Doch ein Wasserglas trägt unappetitliche Schlieren und die Markierung am Innenrand der Toilettenschüssel ist noch vollständig vorhanden. Das gibt Punktabzug.
Wertung: gut

Öffentliche Bereiche

Ein Gang durch das Haus offenbart endlose, gleich aussehende Flure, deren Wände gut gepflegt sind, deren Teppichböden jedoch an etlichen Stellen ausdünnen und hier und da Fäden ziehen. Die Türen der Housekeeping-Offices auf den Etagen sind fast alle stark verschrammt. Wunderschön anzusehen sind die den historischen Vorbildern nachempfundenen barocken Treppenhäuser, vor deren Holzgeländer man – wohl aus Sicherheitsgründen – einen einfachen, weißlackierten Stahlrohrhandlauf montiert hat. Dieser wirkt noch unattraktiver dadurch, dass die Farbe abblättert. Im Erdgeschoss beeindrucken Lobby und öffentliche Bereiche durch die hohen Räume, luxuriösen Geschäfte und die vielen Sitzgruppen, deren Tische mit hübschen Wiesensträußchen geschmückt sind. Geht doch. Einige Teppiche und Sitzmöbel scheinen ihre beste Zeit jedoch schon hinter sich zu haben. 21 Jahre ist das Hotel alt und die Einrichtung stammt großenteils noch von 1995. Das muss bei wertvollen Möbeln und Dekorationen ja nichts Sc
hlechtes sein. Dennoch sagt mein subjektives Empfinden, dass hier ein Makeover guttäte. Gänzlich objektiv hingegen präsentieren sich die öffentlichen Toiletten unluxuriös, fast schon heruntergekommen. Kein Blumenschmuck, keine Frotteehandtüchlein, keinerlei nette Accessoires. Stattdessen gelblich verfärbte Toilettenbrillen, abgenutzte Klobürsten, verkratzte Türklinken und abgeplatzte Farbe an den Holztüren. Zudem scheinen die Toiletten nur in großen Abständen gecheckt und gesäubert zu werden. Ich finde leere Handtuch- und Duftspender, unsaubere Böden und um 18:15 Uhr eine komplett verunreinigte Toilette, die um 22:45 Uhr – nach sage und schreibe viereinhalb Stunden – noch das gleiche unappetitliche Bild abgibt.
Wertung: mangelhaft

»Pure Spa Lounge«

Eine Spa Lounge im fünften Stock mit Pool, Sauna, Solarium, Fitnessraum und umfassendem Beauty- und Massageprogramm, das klingt verlockend. Vielleicht mit Dachterrasse und Blick über die Stadt? Oh nein, da hat der Spa-Fan die Rechnung ohne den Denkmalschutz gemacht. Der fünfte Stock ist einfach nur Dachgeschoss und nicht ein Fitzelchen Tageslicht dringt in die Räume des Wellnessbereichs. Das mag im Winter nicht so tragisch sein, bei 28 Grad Außentemperatur fühlt man sich hier jedoch einfach nur unwohl. Zumal weder Gestaltung noch Zustand der einzelnen Angebote überzeugen können. Der Fitnessraum: neuer Kunststoffboden in Holzoptik und breite Spiegelwand. Aaaber: vier Cardiotrainer von drei verschiedenen Firmen, der Fahrradergometer mit Riss im Sattel und verrostetem Pedal, nicht mehr lesbare Bedienungsknöpfe, der Kurzhantelsatz unvollständig. Der Umkleideraum: wenig einladend, düster, an einem Spind fehlt ein Schloss. Der Ruheraum: ein Durchgangsraum zwischen Umkleide und Flur mit drei abgeschrappten Liegen. Die Sauna: am ersten Tag defekt, am zweiten Tag zeigt das Thermometer unmögliche 115 Grad. Die Dusche weist Schimmelsporen in der Verfugung auf und Grünspan am Brausekopf, die Holztür eines WCs ist im unteren Bereich fast schon verfault. In der Toilette selbst zeugen aus dem Spender herausgerissene Handtücher, ein schmuddeliger Seifenspender, ein rostender Spiegelrahmen und eine abgebrochene Glasablage von mangelnder Instandhaltung und Kontrolle. Am attraktivsten ist noch der Pool selbst, auch wenn der schwarze Fliesenboden drumherum voller Kalkspuren ist und die Stahlrohrgestelle der Liegen samt und sonders abgenutzt sind. Die Türen aus Glas und Metall, die vom Poolbereich ins Solarium und in ein Nottreppenhaus führen, haben rostige Stellen. Im Solarium: keinerlei Hauttypen- oder Dosierungstabelle, die Liegefläche des Geräts, obwohl mit einem »Frisch desinfiziert«-Schild bestückt, ziert jede Menge getrockneter Schweiß des Vorbenutzers. Unappetitlich ist hier noch ein wohlwollendes Wort. Solariums- oder Spa-Beratung? Fehlanzeige. Das Spa wird extern betreut, seine Rezeption scheint nur bei angemeldeten Behandlungen besetzt. Und so weiter und so fort. Ich nehme das Fazit vorweg: Dieses Spa ist eines Fünf-Sterne-Superior-Hotels absolut unwürdig. Punkt.
Wertung: ungenügend

11:00

Personal Training

Manager-Boxen! – Das in der Spa-Broschüre unter Personal Training gelistete, nicht näher beschriebene Angebot macht mich neugierig. Meinen Kalauer, ob ich für 59 Euro 45 Minuten lang den Hotelmanager boxen darf, findet Spa-Manager Mike nur mäßig witzig. Er erklärt mir am Telefon, dass das Boxen vielmehr Stress und Aggressionen abbaue und so nach des Tages Müh‘ und Last geplagten Managern zu Tiefenentspannung verhelfen könne. Das will ich ausprobieren. Personal Trainer Timon erwartet mich schon, als ich aus dem Aufzug steige und hält mir die  Boxhandschuhe hin. Er erklärt mir das Procedere, wir machen einige Dehn- und Aufwärmübungen und schon geht es los. Dribbeln, Deckung, Gerade, Kinnhaken, Leberhaken – gut, dass sich der sympathische junge Personal Trainer mit Pratzen schützt, die meine Schläge abfangen. Denn ich habe Spaß, viel Spaß sogar. Nach der Dreiviertelstunde bin ich klitschnass geschwitzt und vollgepumpt mit Endorphinen. Ein professionell durchgeführtes, aus der Reihe fallendes Angebot, dem man in der Spa-Broschüre ruhig ein paar animierende Zeilen widmen sollte.
Wertung: ausgezeichnet

Fußreflex- und Rückenmassage

Eine Kombination aus Fußreflex- und Rückenmassage zu buchen, war telefonisch problemlos möglich. Die Behandlung wird erstklassig durchgeführt von einer chinesischen Therapeutin und lässt das leicht deprimierende Ambiente des Spa-Bereichs beinahe vergessen.
Wertung: sehr gut

Front Office / Concierge 2

Stadtpläne, Auskünfte, Tipps – Front Office und Concierge Team sind gut aufgestellt und sehr hilfsbereit. Ein Empfangsmitarbeiter reagiert bestürzt, als ich ihm von meinem unfreiwilligen morgendlichen Weckservice erzähle. Er bietet mir einen Zimmerwechsel an, aber ich bitte ihn nur, einmal mit den Arbeitern auf der Baustelle zu sprechen. Das, so beteuert der Mitarbeiter, werde er umgehend tun. Ebenfalls bestürzt besieht sich Concierge W. am Abend den losen Bügel meiner Brille. Obwohl bestens ausgestattet mit feinmechanischem Werkzeug, Lupe und Brillenputztuch, muss er hier passen. Er könnte die Brille natürlich tapen, aber das – sagt er und grinst – »sieht, mit Verlaub gesagt, Scheiße aus.« Also muss der Hausmeister anrücken mit dem Sekundenkleber. Ab ins Scharnier damit, und: »Das hält jetzt erst mal bombenfest!« Es hält – bis ich die Brille im Restaurant aufsetze.
Wertung: sehr gut

Sicherheit

Wer mit unlauteren Absichten von draußen auf die Zimmerflure des Taschenbergpalais gelangen will, kann dies mit Leichtigkeit: durch die zur Gastronomie führenden, weit geöffneten Tore über die offenen Treppenhäuser und die nicht kartengesicherten Aufzüge. Auf den Fluren scheitert er dann hoffentlich wie ich an Mitarbeitern, die sich erst der Befugnis des Gastes versichern, ehe sie eine Zimmertür öffnen. Wenn der Eindringling jedoch schlau ist, wirft er einen Blick auf die zwar in einer Mappe liegende, aber mit Gästenamen versehene Housekeepingliste. Dann kommt er vielleicht mit einem abgespickten Namen auch in das entsprechende Zimmer. Dessen Tür ist zwar von innen mit Spion und Türkette gesichert, das hilft aber auch nichts, wenn man nicht anwesend ist. Ansonsten sind alle Brandschutzvorkehrungen getroffen, alle Fluchtwegebestimmungen werden eingehalten und die Notausgangsbeschilderung ist in Ordnung. Aber nicht alle Mitarbeiter sind in puncto Diskretion ausreichend geschult. Eine hilfsbereite Rezeptionistin nennt dem Anrufer gern meine Zimmernummer, einer ihrer Kollegen lässt mir eine Informationsrechnung aus dem Computer, ohne auch nur nach meinem Namen zu fragen.
Wertung: mangelhaft

10:00

»Karl-May-Bar« 2

Eichenholz, Leder und jede Menge Reminiszenzen an die fantastischen Helden aus den Karl-May-Romanen – diese Bar hat wirklich Stil. Zwei Revolverhalfter hängen hoch an der Wand über der Bar, »aber wenn ich sie brauche, komme ich dran«, scherzt Barkeeperin S. Es ist noch früh am Abend, Happy Hour, und ich möchte für einen Pre-Dinner-Drink die Atmosphäre der Bar genießen. Fantastisch ist auch die Barkarte, die mit 100 Whisk(e)ysorten und über 150 Cocktails, davon 26 preisgekrönte Eigenkreationen, den Keepern einiges abverlangt. Zur Happy Hour sind rund 30 Cocktails zum halben Preis im Angebot, ich möchte aber individuell beraten werden. Der »Gin Basil Smash«, auf den Suzanne und ich uns schließlich einigen, passt genau auf meine Vorgaben, ist schön grün und schmeckt herb-frisch. Es ist noch nicht viel los in der Bar und so bringe ich S. nicht nur dazu, mir das genaue Rezept für meinen Drink zu verraten (eine Handvoll Basilikum, 5 cl neutralen Gin, 2,5 cl Zuckersiru
p und 3 cl Limettensaft), sondern mir auch noch Tipps zu geben, wie ich das »Zuviel an Minze« in meinem Kräutergarten sinnvoll vernichte. Es ist eine nette Plauderei mit der sympathischen Barkeeperin, die dabei ihre wenigen anderen Gäste nicht aus dem Auge verliert und zwischendurch auch noch fachfraulich Cocktails für Gäste auf der Terrasse mixt.
Wertung: sehr gut

19:05

»Palais Bistro«

Draußen geht gewittermäßig die Welt unter, drinnen bekomme ich sofort gute Laune. Dem bistrotypischen Schwarz der Holzstühle und Lederbänke und dem strahlenden Weiß der sorgsam eingedeckten Tische haben die Einrichter einen fröhlichen Kontrapunkt entgegengesetzt: Vasen, Wassergläser und Teelichter leuchten in den unterschiedlichsten Farben und scheinen wie bunte Tupfer über die Tische gestreut zu sein. Farbige Glühbirnen in den Kronleuchtern unterstreichen das heitere Ambiente, das von einer Schaufensterpuppe in rotem Leder mit Lampenschirmhut gekrönt wird. An den Wänden hängen Bilder von Regenschirmen, aus den Lautsprechern rieseln französische Chansons. Anscheinend färbt das Ambiente auf die hier arbeitenden Servicekräfte ab, denn der Mann und die junge Frau in ihren roten Bistroschürzen wirken konzentriert, aber entspannt. Frau M. begrüßt mich lächelnd am Eingang und bringt mich zu meinem Tisch, von dem sie sogleich das zweite Gedeck abräumt. Ich nehme auf der Bank Platz mit Blick in den Raum und erfreue mich an dem hübschen Tischsetting, zu dem auch eine orangefarbene Gerbera in pinkfarbener Vase gehört und eine silberne Dose mit einem interessant klingenden Gewürzsalz. Die Servicekraft überreicht mir die dreisprachige Speisen-und-Getränke-Karte, bietet mir etwas zu trinken an und eilt zu einer Brotstation im Raum, von der sie wenig später mit einem Körbchen frisch abgeschnittenem Baguette und einem Tellerchen Kräuterquark zurückkommt. Die Karte, deren Dreisprachigkeit durch verschiedene Druckfarben untermalt wird, ist fast so bunt wie das Bistro. Sie offeriert saisonale Spargelgerichte, französisch Bistromäßiges wie getrüffelten Flammkuchen, Zwiebelsuppe und Coq au Vin sowie eine ansprechende Vielfalt sonstiger Speisen, etliche auch in kleinen Portionen zu haben. Amüsiert entdecke ich bei den Aperitifs einen sächsisch angehauchten »Pfirsischprosecco«. Eine Seite der Speisenkarte nimmt die grün gedruckte Erklärung ein, mit »Balance Your Day« hätten die Küchenchefs »mit Ernährungsexperten Gerichte entwickelt, die mit saisonalen und lokalen Zutaten ein Höchstlevel an wichtigen Vitaminen, Mineralien und Spurenelementen gewährleisten und gleichzeitig für eine kontrollierte und ausgewogene Versorgung mit Proteinen, Fetten und Kohlehydraten sorgen.«  Toll! Aber warum ist dann nur ein einziges solches Gericht aufgeführt? Und warum ist das ausgerechnet der Caesar Salad? Frau M. errötet, weil sie die Antwort nicht weiß. Dann nimmt sie meine Bestellung entgegen: Spargelschaumsuppe (5 Euro) und eine kleine Portion der Kalbsleber mit gebratenen Zwiebeln und Kartoffelpüree (15,90 Euro). Gegen diese Preise erscheint der Wein, ein sächsischer Rosé Qualitätswein von Schloss Proschwitz (Karte: »Am Gaumen sehr saftig«) teuer: 12,50 Euro kosten 0,2 Liter. Die Suppe schmeckt köstlich, bei der Kalbsleber (»Wir servieren diese rosa gebraten, ist Ihnen das recht?«) muss jedoch erst das Gewürzsalz zum Einsatz kommen. Frau M. hat immer ein Auge auf mich, bietet mir zwischen den Gängen etwas zu lesen an und fragt nach dem Hauptgang, ob ich bis zum Dessert etwas pausieren möchte. Ich möchte und koste die Vorfreude aus auf meinen »Alten Schweden«, der seit meinem Besuch auf der Wartburg zu meinen Lieblingsdesserts gehört. Doch als die – freundlicherweise auch als halbe Portion servierte – Vanilleeiscreme mit Apfelmus und Eierlikör an den Tisch kommt, sind unter dem Sahneberg die Zutaten schon ziemlich zerlaufen, was den Genuss deutlich schmälert. Trotzdem: Der Abend im Bistro war vergnüglich und kulinarisch in weiten Teilen zufriedenstellend. Und es hat Spaß gemacht, der Servicecrew bei ihrer effizienten Arbeit zuzuschauen.
Wertung: gut

Turndownservice 2

Um 21:45 Uhr klopft es an der Zimmertür und eine Mitarbeiterin des Housekeepings entschuldigt sich für die späte Störung. Ob sie noch den Abdeckservice machen dürfe? Auf meine Frage, warum sie so spät dran sei, antwortet die junge Frau mit nur mühsam verhohlenem Ärger: »Volles Haus und schlechte Planung!« Autsch. Sie ist froh, als ich sie bitte, nur das Bett abzudecken.
Wertung: mangelhaft

23:25

Abendliche Ruhestörung

Ich will den fehlenden Schlaf nachholen, doch gerade, als ich eingedöst bin, röhrt und rumpelt es unter meinem Fenster in einer Lautstärke, dass ich fast aus dem Bett falle. Ein gigantischer Lkw steht mit laufendem Motor auf dem Pflaster der Kleinen Brüdergasse; unter der Aufsicht eines anzuggewandeten Hotelmitarbeiters werden große Container mit noch größerem Getöse aus einem Hotelausgang über die Laderampe in den Lkw geschoben. Fast eine halbe Stunde dauert die Aktion, die auch noch von lauten Kommandos und Unterhaltungen begleitet wird. Wenigstens schaltet der Lkw-Fahrer den Motor aus, nachdem ich mich telefonisch beim Empfang beschwert habe.

Schuhputzservice

»Beginnen Sie den Tag stilgerecht und blitzblanken Schrittes!« Als echter Grand-Hotel-Service wird im Internet der Schuhputzservice angepriesen. Ich will am Conciergedesk nachfragen, ob man auch auf das Problem angeschmuddelter weißer Turnschuhe eingestellt sei. Offensichtlich ist das Schuheputzen Pagensache, denn eine Pagin, die sich am gerade verwaisten Desk aufhält, ist diesbezüglich optimistisch. »Ich werde meinen Kollegen von der Nachtschicht darauf vorbereiten«, verspricht sie lächelnd. Meine schwarzen Schuhe erhalte ich am Morgen perfekt gewienert im schicken Stoffbeutel zurück. Die Turnschuhe sehen nur wenig besser aus als zuvor. Mit etwas Seife und heißem Wasser habe ich sie selbst im Nu sauber und kann den Tag nun stilgerecht und blitzblanken Schrittes beginnen.
Wertung: befriedigend

DI. 24/05, 07:00

Weckruf

»Guten Morgen, es ist sieben Uhr, Sie wollten geweckt werden!« Knapper und unpersönlicher geht’s nicht. Aber immerhin auf die Minute pünktlich.
Wertung: befriedigend

08:40

Zimmerfrühstück

Den Frühstückstürhänger habe ich ein bisschen zickig ausgefüllt. Ich möchte aus der A-la-carte-Liste statt Brot- und Brötchenauswahl eine Scheibe Körnerbrot mit Butter, Rühreier mit Büsumer Krabben (steht so nicht drauf), einen frisch gepressten Grapefruitsaft und Earl Grey mit Milch. Außerdem habe ich den »frischen Fruchtsalat« angekreuzt und daneben geschrieben: »Bitte wirklich frische Früchte!!« Die Wunsch-Servierzeit habe ich mit 8:45 bis 9 Uhr angegeben. Es ist erst 8:40 Uhr, als eine Mitarbeiterin mit dem Servierwagen vor der Tür steht. Sie schiebt ihn vor den Sessel, ohne eine Seite hochzuklappen. Sie lüftet kurz die Cloche, um mir das Rührei zu zeigen, lässt sich die Rechnung abzeichnen und ist mit einem knappen »Guten Appetit« auch schon wieder verschwunden.  31,50 Euro kostet die Morgenmahlzeit, praktisch genauso viel wie das Frühstücksbuffet im Restaurant. Statt einer Scheibe Brot erhalte ich doch wieder drei Scheiben, von denen zwei weggeworfen werden müssen. Der Saft ist frisch, das Rührei heiß, gut und reichlich mit Krabben bestückt. Zum bereits im Wasser hängenden Tee wurde der Teatimer vergessen, es gibt weder einen Abräumhinweis noch eine Dekoration. Und die »wirklich frischen Früchte«? Ein Fingerfood-Löffel mit einer Johannisbeerranke, einer Brombeere und drei Heidelbeeren liegt über der Schale mit dem Convenience-Obstsalat.
Wertung: noch befriedigend

09:40

Check-out

Augenscheinlich erschüttert hört sich eine Dame im roten Kostüm meine Klage über die Ruhestörung am Vorabend an. Sie entschuldigt sich mehrfach, versichert der Sache nachzugehen und nimmt als kleine Wiedergutmachung ein Frühstück von der Rechnung. Auch den Energy Drink, den ich zur Kompensation des Schlafmangels hatte, bucht sie nicht auf. »Sie kommen doch hoffentlich trotzdem wieder?« Der Check-out verläuft vorbildlich und ich werde unter vielen freundlichen Wünschen verabschiedet. Meine Extrarechnung – darunter 20 Euro »Steuer Stadt Dresden« – beläuft sich auf 438,10 Euro. Erst zuhause bemerke ich, dass mir ein Beleg für das vorab gezahlte Logis (254,40 Euro) fehlt. Ein Anruf schafft schnell Abhilfe.
Wertung: sehr gut

Lost & Found

Das liegengelassene Armband ist nicht gefunden worden, angeblich aber ein Gürtel. Interessant. »Wir müssen Ihnen 6,99 Euro für das Zuschicken berechnen, sonst funktioniert das leider nicht.« Es funktioniert auch so nicht. Zwar wird der Betrag umgehend belastet, jedoch warte ich zwei Wochen vergeblich auf die Sendung. Als ich erneut im Hotel anrufe, forscht man nach: »Es gab wohl einen kleinen Fehler bei der Adressierung. Das Päckchen kam leider zurück.«
Wertung: unzureichend

Nicht im Text: Wäscheservice 100 %

Bilanz

Zugegeben: Mit ihrem Äußeren macht die »Grande Dame der Dresdener Hotellerie« nach wie vor Staat. Doch je weiter sie sich entblättert, umso mehr blättert von ihr ab. Zimmer, Bäder, Flure, Treppenhäuser, die öffentlichen Toiletten, das Fine-Dining-Restaurant vom blamablen Spa ganz zu schweigen – mit ein bisschen Oberflächenkosmetik ist es im Taschenbergpalais nicht mehr getan. Nach 21 Jahren bräuchte es schon ein veritables Lifting, um das Fünf-Sterne-Superior-Haus wieder auf zeitgemäßen Luxusstandard zu bringen. Doch woher das Geld dafür nehmen, wenn nicht stehlen? Die Buchungszahlen für Dresden sind rückläufig, die Zimmerraten auf einem Tiefststand – auch dank Pegida und Co. Kempinski muss sich etwas einfallen lassen. Lichtblicke neben der selbstredend einmaligen Lage: die Bar, das Bistro, die externen Spa-Dienstleister und ein Team aus überwiegend engagierten und sympathischen Mitarbeitern, die ganz augenscheinlich stolz darauf sind, im Taschenbergpalais zu arbeiten.